Kilimanjaro und Mt. Kenya – die höchsten Berge Afrikas

Der Nebel hängt tief, der Regen tropft vom dichten Laubwerk in den Kragen, immer wieder rutschen wir bis über die Knöchel in die kreisrunden „Fußabtritte“ der Bergelefanten, überall riecht es nach Kaffernbüffel und vor uns wuchtet sich der mächtige Körper unseres Führers Alex durch dichtesten Bambus. Seine Machete schlägt immer wieder in das Bambusdickicht, macht unser Gehen hier erst möglich.

Unser Troß, eine Hauser- Gruppe, 11 Teilnehmer und 25 afrikanische Begleiter ist auf der sogenannten „Kamweti Route“, einem neuen Anstieg von Süden zum Massiv des Mt.Kenya unterwegs. „Das sei eine ganz neue Route – keiner mache die sonst“ meint der stoische Alex und schlägt weiter wie eine Maschine in den Bambus ein. Langsamen Schrittes steigen wir höher, eine Märchenwelt aus flechtenbehangenen Podo, Hira und Baumheide-Bäumen umgibt uns, scheint uns in die Traumwelt Tolkiens zu entführen. Die Orientierung und das Zeitgefühl haben wir im Nebel und im dichten Urwaldgrün schon längst verloren. Ein Rätsel wie Alex sich hier auf diesen in alle Richtungen verlaufenden Tierwechseln zurechtfindet. An einer Flußschleife, wir glauben es kaum, öffnet sich der Nebel und die gelben Zelte leuchten uns freudig entgegen. Unsere treuen Helfer haben schon die warme Suppe vorbereitet, die nassen Socken und Schuhe werden uns sogleich abgenommen und am Feuer getrocknet, willkommen im Sangana River Camp auf 3000m.

Wie von Geisterhand schiebt sich am nächsten Tag über der 3000m Grenze der Nebel zur Seite, es wird merklich trockener. Die Urwaldriesen verkümmern mehr und mehr zu kleinen Büschen, kniehohes, starres Tussockgras bestimmt nun die Szenerie. Blauer Himmel über uns, ein Lächeln in den Gesichtern meiner Teilnehmer, die beiden letzten feuchten und nebelverhangenen Tage sind sogleich vergessen. Menschenleere, weite Hochebenen machen nun den Blick frei bis in die Ebene von Nyeri und zu den Aberdares, immer mehr Lobelien ragen wie riesige Kerzen aus dem Gras, Hunderte sind es schon, soweit wir sehen können breitet sich vor uns diese botanische Wunderwelt aus.

„Pole, pole“, langsam gehen mahnt uns der Führer, „spart Kräfte für die Gipfeltage,“ viel trinken und die Höhe beachten ist die Losung. Wir können uns hier wirklich perfekt für den Kili akklimatisieren, langsam Schritt für Schritt finden wir unseren Rhythmus, nur die beiden Gipfeltage auf dieser Bergreise werden uns alles abverlangen.

Nach dem malerischen Thego River Camp auf 3780m Höhe, geht es weiter mäßig steil bergan, einzig die Tussockbüschel im weglosen Gelände bereiten uns etwas Probleme. Die Stimmung der Gruppe ist jetzt schon hervorragend, entspannt liegen wir zur Mittagszeit im Gras, flachsen über Ereignisse der vergangenen Tage, sind bester Urlaubstimmung, die Hektik Deutschlands schon lange Vergangenheit.

Vor dem Lake Höhnel gewaltige Bestände von bis zu 4 m hohen Senezien. Jahrhunderte müssen sie alt sein, diese endemischen Prachtexemplare ostafrikanischer Flora.

Dann ein letzter Sattel, wir stehen oberhalb des langezogenen Teleki Tals, die Aussicht ist gigantisch – im rosa Licht der Nachmittagssonne die formschönen Gipfel von Nelion und Batian, steile, verwitterte Bergtürme ragen hier bis 5200m Höhe auf und könnten ohne weiteres auf Grund Ihrer Schönheit und bergsteigerischen Schwierigkeit in den Dolomiten stehen. Unser „Basislager“ für die Besteigung des technisch einfachen Point Lenanas am nächsten Tag, die Teleki Hütte auf 4250, liegt wunderschön am Fuß des Massivs. Wir werden von Dutzenden vollgefressenen Klippschliefern empfangen. Diese murmeltiergroßen Nager sind doch tatsächlich mit den Elefanten verwandt und sind bei jeder Berghütte hier am Mt.Kenya anzutreffen.

Jetzt heißt es in Ruhe packen, die Stirnlampe bereitlegen, früh schlafen zu gehen und alle Kräfte zu mobilisieren für den nächsten Tag. Um 3 Uhr früh geht’s im Gänsemarsch, pole, pole los, die Milchstraße über uns, scheint zum greifen nah. Schritt für Schritt geht’s im Lichtkegel unserer Lampen den steilen Berghang 500m aufwärts, die Konturen unklar und schwarz, noch herrscht tiefste Dunkelheit. Ein rosa Schimmer oben am mächtigen, zerfurchten Kamm läßt einem alle Mühen vergessen, der neue Tag bricht an, nichts wie hinauf. Eisig kalter Wind weht vom Lewis Gletscher herab, kriecht in unsere Kleidung und Glieder. Egal, wir jubeln beim Anblick des Sonnenaufgangs, genießen den Anblick der rot verfärbten Felstürme und nehmen einen letzten Tee in der Austrian Hütte. Jetzt geht’s nochmal richtig zur Sache, knapp 250m klettern wir über einen felsverblockten Grat, der Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erfordert, Richtung Gipfel, noch ein letzter Aufschwung, wir stehen auf dem Gipfelplateau und liegen uns in den Armen. Wir alle haben es ohne Probleme geschafft – wir werden belohnt für all die Plackerei mit einem der schönsten Aussichten Ostafrikas – vor uns die Giganten Nelion und Batian, im Norden tief eingeschnittene Täler, Gletscherseen, zerfurchte Gipfel und hohe Pässe an der Timau Route, im Süden unser Anstiegsweg, nebelverhangener Urwald und weite Ebenen. Mein Gott ist das Schön!!!!!


Nach langer Verschnauf- und Fotopause geht’s Richtung Osten 1700m abwärts, ein langer Tag von 10 – 12h , aber wir sind alle im Rausch des Bergerfolges, nichts kann uns jetzt aufhalten. In Serpentinen geht’s abwärts, vorbei an glitzernden Bergseen, regelrechten Senecienwäldern, und durch herrliche Täler. Zur Mittagspause liegen wir faul am Lake Michaelis in der heißen Mittagssonne, raffen uns noch mal auf und steigen oberhalb eines gewaltigen Canyons stundenlang über endlose Ebenen abwärts. Viele plaudern ausgelassen, wir sind jetzt schon ein „verschworener“ Haufen. Die ausgelassene Stimmung im Lager des Old Moses Camp, am Ende dieses langen, aber auch unvergesslich schönen Tages, zusammen mit unseren afrikanischen Freunden, ist nicht von „schlechten Eltern“.

Am Ausgang des Mt. Kenya Nationalparks, werden wir am nächsten Tag von Landrovern abgeholt – Fahrzeugen die wahrscheinlich schon im 2. Weltkrieg von den Engländern benutzt wurden, mehr durch Draht als mit Schrauben zusammengehalten. Schneeketten sind aufgezogen? Schnee? Bald wissen wir warum. Die nächsten 20km durch den sumpfigen Urwald sind eine Tortur für Mensch und Maschine, für uns „Autobahn“ gewöhnte Alemannen eine Sensation! Spurrinnen im rotem Sumpf von 1/2m Tiefe, Wasserlöcher, Wurzeln und Gestein, und bei den Fahrern von Hektik keine Spur. Nach mehrmaligen Aussteigen und Schieben erreichen wir wohlbehalten und gutgelaunt nach diesem neuen Abenteuer unser Ziel. Leider heißt es jetzt von unserer treuen Begleitmannschaft Abschied nehmen, ohne die wir mit Sicherheit nicht so komfortabel und leicht diesen Berg bestiegen hätten. Voller Dankbarkeit überreichen wir Trinkgelder und mitgebrachte Kleidung an die treue Crew und versprechen wiederzukommen.

Eine lange Fahrt bringt uns entlang des Äquators hinab in das Riftvalley, dem großen Grabenbruch Ostafrikas, auf dessen Grund sich zahlreiche Seen befinden. Der Nakuru See gehört zu den schönsten Naturparadiesen Ostafrikas, vor allem seine Flamingo Population ist berühmt. Wir können es gar nicht glauben, rosarot ist der gesamte Uferbereich dieses riesigen Sees gefärbt, mehr als 1 Million dieser eleganten Tiere gibt es hier. Die Geräuschkulisse, das Farbenspiel, aber auch der Gestank sind unglaublich, als wir am Ufer entlanggehen und die Vögel aufschrecken.

350km geht’s jetzt südlicher an den Fuß des großen Kibo, nach Loitokitok, in unsere kleine, gemütliche Lodge. Hier haben wir Zeit in Ruhe unsere Sachen zu packen, nur 8kg pro Person und Seesack sind erlaubt. Dazwischen geht’s zur Safari in den nahegelegenen Amboseli Park, der Dank seines Wasserreichtums vor allem in der Trockenzeit von riesigen Tierherden besucht wird. Diesmal sind es Tausende von Gnus und Zebras, aber auch Büffel und Elefanten durchstreifen das Grasland. Sogar einen Geparden bekommen wir zu Gesicht, unseren erfahrenen Fahrern entgeht nichts. Ein kleines Maasai-Dorf bietet einen Einblick in das harte Leben dieser Nomaden, jener einst mächtigen und reichen Kultur, die heute am Rande der Gesellschaft ein karges Dasein fristen muß.

Ein kurzer Grenzübertritt nach Tanzania bringt uns nach Rongai auf 2100m, wo uns schon die Trägermannschaft erwartet. 30 Mann sind es diesmal, sie werden vom Führer Justin alle mit Namen einzeln vorgestellt und man bedankt sich bei uns, daß wir Ihnen jetzt für die nächsten 5 Tage Arbeit geben. Sonst sei keine Arbeit vorhanden und da käme der Trägerjob gerade recht. Wir sind sehr betroffen und gerührt , man kommt da sehr schnell ins Denken über unsere Situation in Deutschland. Da darf man nicht jammern, wenn man solche Verhältnisse mitbekommt. Am Wegesrand, die erste Stunde arme Holzhütten, aus denen viel zu viele Keinkinder herausquellen. Diese Armut und Überbevölkerung zwingt diese Menschen immer mehr dazu den Bergwald und so Ihre eigene Grundlage auf Dauer zu zerstören. Einzig die Grenze des Nationalparks am Kili hindert die Leute daran weiter in den großartigen Bergwald, dem Einzigen in dieser Region vorzudringen. Diese Nordroute ist kaum begangen und bietet im Gegensatz zur Haupt oder Marangu Route noch Bergeinsamkeit. So begleiten uns am Anfang nur zahlreiche Kolubusaffen in den Wipfeln bis wir vom Grün des Urwalds verschluckt werden. Die Wege sind ausgezeichnet, auch unser erstes Lager auf 2800m ist peinlich sauber. Die Ranger wachen mit Argusaugen über jede Verschmutzung oder Zerstörung dieses fantastischen Nationalparks – nicht mal pipi im Freien ist erlaubt! Diese Umsicht ist bei 15000 Bergsteigern jedes Jahr auch nötig und gerechtfertigt. Jeder Besucher muß, nur um in den Park zu kommen, 400 US Dollar hinblättern, und da hat er noch keinen Träger oder was zu essen! So wird dann wenigstens für das viele Geld etwas für die Umwelt und Erhaltung dieses Parks getan.

An der 3000m Grenze weicht der Urwald zurück, Trockenlandschaft mit Zedern, Bergheide und Ginsterformationen nimmt uns auf. Der formschöne 5000er Mawenzi zieht magisch unsere Blicke an und wir steigen langsam,. sehr langsam höher. Die Führer achten genau auf unser Tempo und pfeifen uns zurück, falls einer nur etwas schneller geht. Ein absolut wichtiger Aspekt zur idealen Höhenanpassung, der leider im Überschwang oft vergessen wird. Das Gute hier am Kili ist die Tatsache, daß jeder Schritt wirklich höher führt – kein mühseliges bergauf und -ab, sondern nur sanftes, aber dafür stetiges Ansteigen des Geländes. So können wir Kräfte sparen und kommen doch gut vorwärts. Ohne Probleme erreichen wir am nächsten Tag die sogenannte dritte Höhle auf 3800m, können unsere Zelte noch im schönsten Sonnenlicht und bei Wärme aufbauen. Tausend Meter unter uns ist alles unter einer dichten Wolkendecke verschwunden und bietet einen reizenden Kontrast zu den vegetationslosen Gesteins- und Geröllfeldern hier oben. In der Nacht kann es hier schon mal eisigen Frost haben, doch kaum geht um 6 Uhr die Sonne auf, wird es wieder angenehm warm und wir können unser reichehaltiges Frühstück bei bestem Wetter im Freien genießen. Jetzt sind es noch 1000 Höhenmeter bis zur „Schoolhut“ , einem winzigen Fleck, am gewaltigen Steilhang des riesigen Vulkankegels des Kilimajaro. Wir kommen gut vorwärts, Schritt für Schritt auf Superwegen erreichen wir schon gegen Mittag diese kleine Hütte. Wir haben aber auch gut lachen und müssen nicht wie unsere Träger noch extra Trinkwasser hier hinaufschleppen, ein Knochenjob in dieser Höhe.

Jetzt ist noch Zeit sich zu erholen, wir sind allein hier oben, ein unschätzbarer Vorteil bei dieser Anstiegsroute, wenn man sich nicht mit 150 Anderen eine Hütte teilen muß! Der Mawenzi leuchtet am Nachmittag im schönsten Licht, der Kibosattel darunter schon in lange schwarze Schatten getaucht. Jeder muß hier oben ausreichend trinken, 4 – 5 Liter sollten es schon sein, auch wenn es manchmal schwerfällt in der Nacht so oft raus zu müssen. Einige meiner Teilnehmer haben Kopfschmerzen oder Übelkeit, erste Anzeichen einer Höhenkrankheit, aber noch ungefährlich zum jetzigen Zeitpunkt. Sollte es schlechter werden, kann man hier jederzeit zur Hauptroute queren und absteigen – also kein Risiko wenn man vernünftig ist und die Symptome weiter beachtet. Jetzt wird jeder langsam nervös – schaffe ich es, erreiche ich den Gillmans Point oder gar den Uhuru Peak? Es bleibt keine Zeit zum Überlegen, schon um 11:30Uhr in der Nacht scheucht uns Justin raus, eine halbe Stunde später sind wir schon unterwegs. Alle Schichten werden angezogen, dicke Handschuhe, Mützen, Jacken und Überhosen kommen zum Einsatz, es ist unglaublich kalt, Vollmond, sternenklar und leider windig. Sofort fällt die Temperatur auf Minus 10 bis Minus 15 Grad und jedes Stehenbleiben und sich nicht vorwärts bewegen wird zur Tortur. Nach 2 Stunden blicken wir ungläubig hinauf in den Steilhang, in dem sich schon zur früher Stunde unzählige Gruppen hinauf quälen, Stirnlampe an Stirnlampe. Wir haben die Hauptroute erreicht.

Unsere Gruppe ist wesentlich besser „beieinander“ und in kurzer Zeit stauen wir uns schon an den „Vorgängern“ auf – das ist sehr schlecht, da wir jetzt kalt werden und schnell klagen schon ein paar über gefühllose Finger und Zehen. Da bleibt mir nichts anderes übrig, als den Führer anzuweisen die Gruppen zu überholen, auch wenn das im tiefen Sand passieren muß. Das kostet unheimlich viel Kraft und wir müssen nicht nur eine Gruppe überholen, nein es sind mehr als ein Halbes Dutzend. Da liegen vor uns am Wegesrand drei schon total eingefrorene Gestalten und bewegen sich nicht mehr – Wahnsinn die hier einfach liegen zu lassen – wir scheuchen sie auf, denn bei dieser Kälte ist man ohne Bewegung schnell tiefgefroren und am Ende!

Der Schutthang scheint kein Ende zu nehmen, immer wenn man meint, der letzte Aufschwung sei da, kommt der Nächste. Trotzdem schaffen wir es und pünktlich zum Sonnenaufgang stehen wir auf dem 5680m hohen Gillmanns Point, und blicken ungläubig und ziemlich kaputt in das weite Rund. Die Kälte hat uns zugesetzt, einen Teilnehmer müssen wir die Füße massieren, er schreit vor Schmerzen auf, erste Anzeichen von Erfrierungen, die glücklicherweise später wieder zurückgehen. Zwei steigen weiter zum Uhuru Peak, der Rest begnügt sich mit dem Erreichten! Das ist gut so, was bringt es, nur damit man auf den Höchsten Punkt steht, sich völlig kaputt zu machen und die Gesundheit zu riskieren. „Der Weg ist das Ziel“, heißt es so schön als Philosophie und ist doch so schwer in unserer heutigen, erfolgsorientierten Zeit umzusetzen. Auch der Kili hat als Berg seine eigenen Gesetze, die Wetter Umstände sind nicht immer kalkulierbar und man sollte sich aus Respekt und Ehrfurcht vor der Natur unterordnen.

So sitzen wir noch eine halbe Stunde im ersten Sonnenlicht am Gillmans Point, genießen den sagenhaften Ausblick zum östlichen Gletschereis, das sich wie das Gebäck einer Hochzeitstorte aufbaut, ziellos, so scheint es, hier oben verstreut im weiten Kraterrund.
Der Mawenzi erscheint in diesem Licht märchenhaft weit entrückt, die weiten Ebenen darunter ein anderer Planet und Lebensraum zu sein.
Dieser Moment der Besteigung des höchsten Berges Afrikas wird bleiben, verankert sein in den Köpfen aller Teilnehmer, dazu aber auch die Erinnerung an eine wunderbare Zeit „zwischen den Gipfeln“, an eine Wiederentdeckung der „Langsamkeit“, an Freude und Entspannung, an ein herrliches Miteinander mit den Einheimischen, dazu unzähligen Erlebnissen „am Rande“ – und nur darauf kommt es an!

Kwahere Ostafrika ...

Michael Markewitsch, Reiseleiter Hauser Exkursionen

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