16 Tage Trekking um den heiligen Manaslu - 8156 m

Schon zweimal durfte ich diese großartige Runde gehen, allerdings sind seitdem viele Jahre  vergangen und ich freute mich sie diesen April nochmal anzupacken.

11 unerschrockene Teilnehmer standen bereit mit mir dieses Abenteuer anzugehen, die Hälfte davon bereits mit Nepal Erfahrung.

Der Manas ( heilig ) Lu ( Berg) läßt sich nicht so leicht erobern, der Anmarschweg ist lang und beschwerlich, führt über 100km! durch eine der tiefsten Schluchten der Erde. Der Buri Gandaki hat sich hier mehrere tausend Meter tief in den Himalaya Granit hineingefräst, nirgends in Europa findet man solch einen tiefen Canyon.

Von Kathmandu 8 h auf recht guten Straßen und Pisten bis Arughat, nur noch 550m hoch. Danach stiegen wir in einen zerbeulten Allrad Bus und rumpeln über eine unglaublich schlechte Piste voller Löcher und atemberaubender Tiefblicke 2h bis Soti Khola.

Gut, das hatten wir “überlebt” und uns damit auch noch einen Trekkingtag gespart. 3 Puffertage hatte ich eingeplant, falls es Probleme gäbe mit Wetter oder Höhenkrankheit. Denn einen Knackpunkt hat diese Tour und das sollte man im Vorfeld wissen – erst nach 10 Tagen Anmarsch überschreitet man den 5100m hohen Larke Paß, sollte das nicht klappen ist der Rückweg eigentlich zu lang und man versäumt seinen Heimflug. Da bleibt einem nur ein Hubschrauberflug und die sind teuer!

Also hatten wir 16 Tage für die über 200km eingeplant, ein beruhigendes Polster, dachten wir. Wir konnten nicht ahnen, daß wir alle Tage brauchten, aber davon später….

24 Einheimische standen voller Freude in Soti Khola bereit. So eine kleine “Expedition” ist für die Nepalis ein willkommener Nebenerwerb, sind sie doch meist Bauern, die sich in der Trekkingsaison was dazuverdienen.

3 Sherpas, Chewang, Dorje und Lakpa, der quierlige und stets gut gelaunte Koch Bagbir vom Magar Stamm, mit seinen 5 unermüdlichen Küchenjungs, 12 Träger, die je zwei Seesäcke von uns tragen und 9 Mulis für Vorräte und Kerosin mit 2 Treibern – alles kontrolliert und perfekt organisiert von meinem langjährigen Sirdar Apasang Sherpa.

Das ist für mich Trekking: mit Zelt, eigener Verpflegung, Küche, Sherpas und Träger solch ein Unternehmen anzugehen, mit Ihnen Ihr Heimatland erleben, bei guten oder schlechten Wetter unterwegs sein, mit Ihnen zu plaudern oder zu scherzen, zusammenzuwachsen zu einem Team, das durch dick und dünn geht, immer mit dem beruhigenden Wissen, mit den „besten“ Bergleuten der Welt sicher im Himalaya unterwegs zu sein! Was soll da passieren, wir sind einfach gut aufgehoben bei unseren Freunden, den Nepalis…..

Los geht’s. Die ersten Tage sind zäh, Knie und Füße schmerzen, 8-10h bei moderaten Tempo sind zu gehen, aber nach paar Tagen vergeht der Schmerz, man hat sich eingelaufen. Wirklich jeder in der Gruppe meinte, hätt‘ mir nicht vorgestellt das das Zelten meinem Rücken so gut tut! Und die Füße laufen von allein…..

Man hat nicht viel zu tun, aufstehen, packen, frühstücken. Das Zelt wird von den Sherpas abgebaut. Dann eigentlich nur genießen den ganzen Tag, dahinschlendern, ratschen, fotografieren, 1 1/2h Mittagspause und gegen 17 Uhr eintrudeln im bereits aufgebauten Lager. Abends strahlt Bagbir aus der Küche, frägt ob es uns gutgeht und zaubert jedes Mal ein Dreigänge Menü aus dem Ärmel, das wir nur so staunen!

Bis 2000m Höhe leben die hochkastigen Brahman und Chetri, Hindus die bis in diese Höhe Ihren geliebten Reis anbauen. Darüber folgen die altnepalesischen Stämme, irgendwann vor 500 Jahren eingewandert. Hier am Manaslu sind es die Ghurung und Thamang, an der tibetischen Grenze schließlich die Bhotia, die reinrassigen Tibeter, die bis 3800m Höhe siedeln. Auf deren Feldern sehen wir nun Hirse, Gerste, Buchweizen, Mais, Bohnen und Kartoffeln, Nahrungsmittel die bis 3500m gedeihen.

Das Wetter im April hat Vor und Nachteile, oftmals leichte Gewitter am Nachmittag, die Berge ab Mittag verschleiert. Dafür warme Nächte, 70 % weniger Trekker als im Herbst, blühende Orchideen und Rhododendren am Wegesrand.

Wir sind die einzige Trekkinggruppe mit Zelt, die anderen ziehen die Lodges vor. Doch was wir hier sehen hat noch nicht den Standard wie z.B. in der Annapurna Region und jeder meiner Teilnehmer freut sich über sein eigenes, sauberes und ruhiges Zelt.

Wir sind fast allein unterwegs, einzig aufpassen müssen wir auf die zahllosen Mulikarawanen, die Nahrungsmittel, Kerosin, Zement ect. in den straßenlosen Norden tragen. „Immer an der Bergseite bleiben“ war mein Rat, denn die Wege durch die Buri Gandaki sind oft spektakulär in die senkrechten Felswände gemeißelt und eine Unachtsamkeit wäre dann wohl schnell die Letzte gewesen…..

Die erste Woche kommen wir durch kleine Siedlungen im engen Talgrund, überqueren unzählige Hängebrücken, sehen hunderte von Wasserfälle über uns, steigen tausende Stufen bergauf und -ab und schlängeln uns langsam höher in diese wilde Bergregion.

Gerodete Flächen wechseln ab mit wunderschönen Urwäldern voller Hemmlock, Himalayatannen und Kiefern, im Bambus lungern dicke langhaarige Languren, die großen Bergblicke sind noch rar. Doch je mehr Manimauern und Chörten den lokalen Buddhismus ankündigen, spitzen sie raus, tiefverschneit und leuchtend, die ersten 6000er des Shringgi und Ganesh Himal.

Das Tal öffnet sich langsam, wird weiter, große Hochflächen erlauben intensiven Ackerbau. Gut “eingelaufen” erreichen wir den tibetischen Ort Lho Gaon auf 3200m, hier sollte er sich das erste Mal zeigen, der große Meister, umgeben von seinen Trabanten, der heilige Manaslu.  Aber wie jeden Nachmittag, dicke Wolken, wir müssen warten auf seine Hoheit.

Spät abends, der Vollmond hat die Wolken vertrieben, mächtig, unnahbar, wie ein funkelnder Diamant strahlt der Koloss in den Nachthimmel. Alle jauchzen und jubeln, so groß hätten wir uns ihn nicht vorgestellt.

Der Morgen übertrifft unsere Erwartungen ebenfalls, im strahlenden Sonnenschein überblicken wir von unserer Anhöhe den Kutang Himal im Osten, 6000er mit furchterregenden Wänden, sehen Naike Peak, den Nord- und den Hauptgipfel des Manaslu. Gebetsfahnen flattern im Wind, bunte Stupas stehen vor blinkenden Eiswänden. Wir steigen hoch zum neuen Rotmützen-Kloster auf einem Hügel über Lho, fotografieren wie verrückt und scherzen mit den Mönchen. Wir sind angekommen am Fuße der großen Berge, nach harten Anmarschtagen in der engen und heißen Schlucht endlich diese Weitblicke……

Unsere Wandertage werden kürzer, nur 4h bis Sama, dem großen Hauptort im gleichnamigen Tal. Wir wollen uns Zeit lassen, genießen und akklimatisieren. Zwei Nächte auf jeden Fall kampieren am Fuße des Manaslu. Hier beginnen die großen Expeditionen, hier geht es hinauf, vorbei am großen Gletschersee zu den ersten Hochlagern, hier ist unser erstes Hauptziel erreicht.

Der Wettergott meint es jedoch nicht gut mit uns. Es zieht zu, graupelt, regnet und schneit, am nächsten Morgen liegen schon mal 10cm Schnee auf dem Zelt.

Wir machen Ausflüge in das archaische Dorf mit seinen Schindeldächern und Schiefersteinhäusern. Wie kann man in diesem harten Klima leben, ohne Heizung und fließend Wasser, die Kinder barfuß bei 7 Grad. Das Vieh im Erdgeschoß erwärmt etwas die eiskalten Räume darüber, Yakdung wird wie Brikett verheizt, manche haben schon Strom, wenigstens ein kleiner Fortschritt!

Hoch oben thront die große Gompa, Laienpriester rezitieren heilige Texte, Gebetsfahnen flattern im eisigen Wind. Als ich vor 17 Jahren das letzte Mal hier war, kalbte der große Hauptgletscher des Manaslu in den tiefeingeschnittenen See, jetzt hatte er sich schon mehrere hundert Meter! zurückgezogen – „Climatechange“ meinte lapidar mein Sherpa.

Von Klimaerwärmung ist allerdings nichts zu spüren, mache mir langsam Gedanken, wie es wohl auf 5100m am Larke Pass aussehen mag. Eine dritte Nacht bleiben wir, hoffen auf besseres Wetter. Tatsächlich, wieder ein traumhafter Morgen, die Berge rundherum tiefverschneit, wir ziehen 4h weiter im schönsten Sonnenschein Richtung Samdo.

Neben dem Gletschersee ein großer Berghang voll mit dichtem Birkenwald und das auf 3600m Höhe – da gibt es bei uns in den Alpen nur noch Steine! Dahinter wie ein Turm der Hausherr, der achthöchste Berg der Erde, daneben Nadi Chuli 7870m, weiter im Süden Himal Chuli 7890m hoch.

44 Siebentausender und 1000 Sechstausender soll es ja in Nepal geben, und hier sind Einige der Schönsten davon.Die 4h Weg sind ein einziger Traum, wir staunen über diese einzigartige Bergwelt und genießen jeden Moment in der warmen Frühjahrssonne, so soll Trekkingurlaub sein!

Diese Freude hält nicht lange an, in Samdo auf 3800m zieht es schon wieder zu und fängt an zu schneien, 36h am Stück! Ich hänge am Satelliten Telefon, hole mir aktuelle Wetterberichte und lasse mich von den Sherpas beruhigen, während ich durch den 40cm tiefen Schnee stapfe. So viel Schnee hatten wir diesen Winter nicht in Oberau!  In der Nacht bricht unter der Schneelast sogar das Messezelt zusammen und ich frage bei der Agentur in Kathmandu schon mal Hubschrauberpreise an. Zum Zurückgehen ist es nun zu weit, entweder kommt gutes Wetter oder wir haben schlechte Karten.

Die Sherpas sagen „no worries“, mach Dir keine Sorgen, der Schnee schmilzt schnell im April. Allerdings sollte es halt mal zu schneien aufhören! “, doch unaufhörlich rieselt‘s aus den grauen Wolken. Dann die ersehnte Nachricht nach zwei Tagen Schnee, es soll ein Hochdruckgebiet anrollen!

Shiva hat meine  Gebete erhört, die nächsten drei Tage sind wie aus dem Bilderbuch!!!

Wir schaufeln den Schnee von unseren Zelten und steigen weiter Richtung Basislager des Larke La auf 4470m Höhe. Staublawinen fallen wie Wasserfälle von den umliegenden 6000ern, der Weg ein einziger Traum, blauer Himmel, tiefverschneite Berghänge und langgezogene Jetstream-Wolken die mit 200 Stundenkilometer um die umliegenden Bergriesen rauschen. Ein Tag zum Götterzeugen!

Keiner hat Höhenprobleme, die drei Puffertage waren genau richtig eingesetzt, wir strotzen vor Kraft und freuen uns auf den Paßtag. Um drei Uhr früh ist Wecken, 5 Uhr Abmarsch. Eisig pfeift der Wind noch durch die dunklen Täler. Es ist Ostermontag und wir stapfen wie in Trance langsam höher und suchen Ostereier. Die Sonne erreicht die ersten Eiswände und schließlich auch uns, wunderbar wie kostbar in diesen eisigen Höhen diese Frühjahrsonne ist! Alle jubeln und jauchzen vor sich hin.

Dann heißt es wieder tief Luft holen, Schritt für Schritt durch den Schnee über den endlosen Gletscher stapfen und hoffen das der nächste Hügel, der letzte sein wird. Alle sind wir ziemlich kaputt, als wir endlich nach 7h Gehzeit den Paß erreichen. Die Shepas hängen Gebetsfahnen in den Wind und rufen wie seit Jahrhunderten, so wie es Brauch ist, zum Dank an die Götter:„ Ke Ke, sho, sho, lhayl gyalho ……”

Was für ein Moment, unbeschreiblich, das muß man selbst erlebt haben, die Befreiung nach all der Ungewissheit, nach dem vielen Schneefall der letzten Woche, endlich auf diesem Pass, bei schönstem Wetter, stehen zu dürfen, was für eine Erlösung und Freude!

Wir montieren Grödel und Steigeisen und abwärts geht’s Richtung Westen, begrüßt vom Turm des Dhaulagiri und dem mächtigen Massiv der Annapurna, der Göttin des Überflusses. Daneben strahlen unzählige Gipfel des Himlung, Peri, Jarkya und Hindu Himal in das weite Rund – so schön kann nur Bergsteigen sein. Todmüde aber glücklich erreichen wir nach 12 h Gehzeit Bimthang auf 3720m Höhe und lassen die Sektkorken, bzw. unsere bewährten Everestbierkorken knallen.

Sieben Gletschermoränen wälzen sich aus dem Gletschertal von Bimthang, speisen den schäumenden und weißen Dudh Kosi Fluß. Wir sind, wie in einem Amphitheater, umgeben von unzähligen Sechs- und Siebentausendern und den Westabstürzen des Manaslu – wohl eine der schönsten Plätze in ganz Nepal!

Wir durchwandern dichte Kiefern, Tannen und Hemmlockbestände und staunen über blühende Rhododendronwälder mit 10m hohen Bäumen, voll mit fetten weißen, roten und rosa Blüten in schönster Pracht. Der Kontrast zu der 3000m hohen Westwand des Manaslu und den anderen gleißenden Berggipfeln raubt uns vollends den Atem! Die Kameras klicken im Hochbetrieb, die gute Stimmung der Gruppe ist wirklich unbeschreiblich – was für ein weiterer, wunderbarer Tag auf dieser außergewöhnlichen Trekkingrunde!

Nach 25km Abstieg, entlang am reißenden Fluß, erreichen wir müde aber glücklich die Annapurna Runde. Hier erleben wir den Gegensatz zur Ruhe vorher, unzählige Lodges, Trekker aus aller Welt die uns entgegenkommen, Internet Empfang und hupende Jeeps auf staubiger Piste.

Egal, noch ein Tag weiter im schönen Tal, von Jagat aus nehmen wir dann Jeeps, keiner will auf der Straße wandern. Bevor uns der Bus wieder nach Kathmandu bringt, feiern wir ein rauschendes Fest mit unserer Crew am letzten Lagerplatz. Wir kaufen Chang und Bier, laden alle zum Festessen ein, verteilen Trinkgelder und singen und tanzen gemeinsam bis spät in die Nacht.

Das ist es, was mich jedesmal berührt und wofür ich sehr dankbar bin – wildfremde Menschen aus unterschiedlichen Kulturen wachsen zusammen, gehen gemeinsam durch viele Abenteuer, verstehen sich trotz aller Gegensätze, werden vielleicht sogar Freunde, Gefährten einer unglaublichen Erfahrung, einer Trekkingreise durch den heiligen Himalaya, einer kostbaren Zeit die niemand sein Leben lang vergessen wird.